Die wundersame Geschichte des Städtebauers Henry Schultz alias Klaus Hinrich Klahn

Im neunzehnten Jahrhundert war es üblich, dass gutsituierte Adlige und Bürger Bildungsreisen in das neue Land auf der anderen Seite des Atlantiks unternahmen. Zeitungen und Zeitschriften veröffentlichten Reiseberichte und Berichte über Auswanderer, die in Amerika ihr Glück versuchten.

So berichteten das Augsburger Tageblatt und der Bayrische Landbote aus dem Jahre 1832 beinahe gleichlautend über einen Holsteiner namens Schulz, der am Savannah eine neue Stadt erbaut habe und sie Hamburg genannt hat. Sein wahrer Name sei jedoch Klaus Hinrich Klahn, Sohn armer Eltern im Amte Cismar. In dem Journal „Matrosen: ein Lesebuch für junge Leute aus gebildeten Ständen“ von 1833 erfährt man unter der Überschrift „Das neue Hamburg“: In Amerika, am Flusse Savannah, ist ein zweites Hamburg entstanden. Es verdankt seinen Ursprung einem Manne, der von armen Eltern erzeugt worden war, und seine Jugendjahre in großer Dürftigkeit hingebracht hatte, der es aber mit der Zeit durch seine Thätigkeit und seinen Unternehmergeist dahin brachte, der Gründer einer neuen Stadt zu werden. Es folgt eine kurze Beschreibung seines Werdegangs bis hin zum Millionär in Amerika, der aber durch Spekulationen einen großen Teil seines Vermögens wieder verlor.

 

Wer war dieser merkwürdige Mann? War das vielleicht ein Vorfahre meiner Patentante, der alten Jungfer Emma Klahn, die in einem Langbehn-Haus an der Seestraße in Dahme wohnte?  

 

Ja, es hat einen Klaus Hinrich Klahn gegeben!  Im Taufregister der Kirchengemeinde Grube vom Jahr 1776 finden wir:

Numerus baptizatorum: 74 (laufende Nummer im  Register)

Dies nativitatis: 10.8. bis (Tag der Geburt nach dem julianischen Kalender)

Dies accepti baptismi: 13.8. bis (Tag der Taufe nach dem julianischen Kalender)

Claus Hinrich, Sohn des Arbeitsmannes Hans Klahn aus Dahm und Abel Margaretha, geb. Paustian, ehelicher Sohn.

Testes (Taufzeugen):  Hans Hinrich Schlichting, Claus Bahr, Catherina Ehlers, alle aus Dahm.

N.B. Durch die Bezeichnung bis nach dem Datum macht der Kirchenschreiber deutlich, dass er hier den julianischen Kalender (bis) verwendet, der mit dem Monat März beginnt. Der 10.8 bzw. 13.8. bedeuten hier also nicht August sondern Oktober. Weiterhin ist anzumerken, dass Dahme damals im niederhochdeutschen noch Dahm oder Daam genannt wurde.

 

Interessant ist hier auch die folgende Eintragung im Kirchenbuch, die laufende Nummer  Nr 75:

Geboren am 14. Oktober, getauft am 18. Oktober, Christina Catherina Tochter des … Hans Rahlf aus Dahm und Dorothea Magdalena geborene Bendtfeldten, eheliche Tochter. Testes (Zeugen): Sophia Schlab Kohlen aus Buckhorst, Anna Catarina Stahlen, Hans Gottlieb Flohr, beide aus Dahm.

 

Diese Christina Katherina Rahlf heiratete am 13.06.1800 den Müllergesellen  Johann Hinrich  Rudolf  Mumm  (*1776 in Cassau, +1806 in Dahme) und gründete mit ihm das Geschlecht Mumm in Dahme.

 

Der Kartenauszug zeigt den Ort Dahme um 1789. Wir wissen nicht wo Klahn gewohnt hat, wahrscheinlich in einem Instenhaus, das zum Dahmer Hof gehörte. Er war ganz armer Leute Kind und ist ein paar Jahre auf die Dorfschule in Dahme gegangen.  Seine Bildung beschränkte sich auf das, was der Schulmeister in Dahme ihm beibringen konnte, und das war damals nicht mehr als ein wenig lesen, noch weniger schreiben und das kleine Einmaleins. Das letztere muss es gewesen sein, was seine Karriere begründete, denn er wurde im fernen Amerika ein großer Städtebauer.  Es scheint aber „ein hohes Licht des Wirkens und Seyns in dieses Knaben Seele aufgegangen zu seyn, das vielleicht durch Seefahrer, deren mehrere an diesem Ort wohnen, angefacht worden war.“

 

 

 

Der Dahmer Hof war damals ein landesherrliches Vorwerk, zu dem Grube, Dahme, Thomsdorf und Rathjensdorf dienstpflichtig waren. Der Meierhof wurde 1784 parzelliert und meistbietend versteigert. Ein paar Monate später, im Januar 1785 wurde auch die Leibeigenschaft für die Leute des Hofes aufgehoben. Die Leute konnten sich jetzt bewegen, den Ort verlassen, sich andere Arbeit suchen, Grund und Boden erwerben. Ihr Leben anders gestalten. Das waren einschneidende Veränderungen, die er als 8-jähriger schon bewusst mitbekommen haben kann.  

 

Im Frühjahr 1792 wird Klaus Hinrich Klahn konfirmiert. Ein paar Monate später verlässt er als 16-jähriger das Elternhaus, um nach Lübeck zu wandern und dort sein Glück zu versuchen. Wahrscheinlich ist er über Neustadt, Pansdorf, Bad Schwartau gewandert was 2-3Tage gedauert haben dürfte.

 

 

Da er es wohl nicht für nötig hielt nach Hause zu schreiben, womöglich auch das damals sehr hohe Porto sparen wollte, erfuhr man in Dahme nichts wieder von ihm, hörte nur ab und an, dass er sich in Handelsgeschäften einige Fertigkeit angeeignet habe, bis er eines Tages, Jahre später, wieder in seinem Heimatort auftauchte. Inzwischen war er zu einem wohlgebildeten jungen Mann heran gewachsen. Er begann sofort damit, kleine Handelsgeschäfte mit Bekannten und Landsleuten zu machen, denn, wie wir wissen, war und ist das Amt Cismar eine Kornkammer Holsteins, und lieferte Saatgetreide und Klee in großen Mengen nach Lübeck und Mecklenburg. Längere Zeit betrieb der junge Klahn eine Spedition dieser Waren von Dahme aus,  dann aber verlegte er seinen Wohnsitz nach Wismar, wo er ein recht bedeutendes Grundstück erwerben konnte, denn er unterhielt Handelsbeziehungen zu einem der bedeutendsten Lübecker Handelshäuser. 

 

 

In den meisten Quellen wird angenommen er sei  jetzt gut zurechtgekommen, wenn die Geißel des Krieges ihm nicht alle seine Pläne zuschanden gemacht hätte. Es war ja  um diese Zeit, dass  Napoleon Deutschland überfallen hatte. So überfluteten die französischen Heere auch Mecklenburg, Blücher zog sich nach Lübeck zurück, und in Gefolge der Franzosen kam der „Pleitegeier“ über das Land. So auch bei unserem Klahn, der seine Gläubiger, das Lübecker Handelshaus hatte ihm vorgeschossen, und seine Landsleute, die ihren Kleesamen noch nicht bekommen hatten, nicht befriedigen konnte. Jeder Handel hatte aufgehört, dafür gab es Contributionen in schwindelnder Höhe. So übergab der junge Dahmer seinen Besitz den Gläubigern, die nichts davon hatten, da nur Ausländer ausbezahlt wurden. Unser Klahn verschwand, niemand hörte für die Dauer von 14 Jahren von ihm, dann tauchte er in Amerika und der Savannah wieder auf, „wie ein Stern nicht unbedeutenden Glanzes“, gerade als seine Kleesamengläubiger die Hoffnung aufgegeben hatten, zu ihrem Gelde zu kommen.

 

Das kann aber nicht ganz so gewesen sein. Amerikanische Quellen geben an „Zur der Zeit als Napoleon mit eisernem Grimme den Handel seiner Vaterstadt Hamburg zerstört hatte, musste er wegen eines Knabenstreiches entfliehen und kam 1806 als Leichtmatrose nach Amerika.“ Zumindest seine Ankunft in Amerika 1806 scheint einigermaßen belegt. 

Nach der Schlacht bei Jena (obiges Bild)  versucht ein Teil der geschlagenen preußischen Armee sich unter Führung des Generals Blücher nach Mecklenburg zu retten. Am 7. November 1806 musste sich Blücher bei Ratekau / Lübeck den Franzosen ergeben. Im Januar 1807 wurde dann auch der Herzog Friedrich Franz aus seinem Mecklenburger und Schweriner Lande vertrieben. Kurz vorher wurde auch Wismar von napoleonischen Truppen besetzt, da war aber Klahn schon in Amerika.

 

Bis 1803 war Wismar Teil des schwedischen Königreiches. Es ging dann durch einen Pachtvertrag an Mecklenburg-Schwerin. Es waren schon unruhige Zeiten und man konnte nicht sicher sein, ob alle Verträge immer erfüllt wurden. Im Stadtarchiv Wismar findet sich in den „Prozeßakten des Magistratsgerichts 1750-1872“ für das Jahr 1803 ein Hinweis auf ein Verfahren, dass der Kaufmann und Schiffsklarierer Caspar David Martens als der Gemeinanwalt der Gläubiger von Klahn führte. Es betrifft eine Auseinandersetzung um die Auslieferung von zur Konkursmasse gehörigen Korns.

 

Es ist also wahrscheinlicher, dass Klahn schon 1803 in Schwierigkeiten war, in Konkurs ging  und verschwand. Er war da 27 Jahre alt. Man sollte über 14 Jahre nichts von ihm hören.

 

Erste Nachrichten aus Amerika

 

Es war ein Zufall, dass der Kapitän, Schiffshauptmann Burmester aus Altona, Claus Hinrich Klahn am Fluss Savannah traf (wahrscheinlich 1816) , in dieser noch wüsten Gegend, die der entflohene Dahmer erst zu einer bewohnten machen sollte. Noch seltsamer spielte der Zufall mit, dass Burmester ebenfalls aus Dahme stammte. So schlossen sich einander ihre Herzen auf.

 

Der ehemalige Klahn, jetzt Schultz geheißen, gab dem Kapitän die ersten Nachrichten für die Heimat mit, einen Brief an die Verwandten und dazu 18 Fässer Tabaksblätter, aus deren Erlös die Gläubiger des Entflohenen entschädigt werden sollten, selbstverständlich mit den aufgelaufenen Zinsen für 14 Jahre. Den Rest bekamen seine drei Schwestern,  denn die Eltern waren inzwischen verstorben. Jede von ihnen erhielt 400 Reichsbank-taler, eine ungewöhnliche Summe in jener Zeit der bitteren Armut (entspricht knapp 30 000 Euro). Der Auswanderer schrieb nur davon, dass ihm seine Geschäfte dort drüben außerordentlich geglückt seien, der Altonaer Kapitän aber sprach von Hunderttausenden, die er angeblich besitzen solle. Nun stand natürlich das gute Dahme, damals noch kein Seebad, auf dem Kopf.

 

Einen Neffen von Schultz, Seefahrer von Beruf, namens Langbehn, hielt es nicht zu Hause. Er wollte nach drüben, sein Glück machen. Er segelte über den großen Teich, und man hörte von ihm, dass er willkommen gewesen sei. Dann aber gab es wieder ein zwei-jähriges Schweigen, in dem die Erregung in Dahme nicht abriss, denn nun wollte jeder mit Schultz verwandt sein. Es meldeten sich auf diese Nachrichten hin zahlreiche Mecklenburger, die vor gaben, eine Forderung an den Auswanderer zu haben, nun die Verwandten „molestierten“ und versuchten, ihnen die Geschenke streitig zu machen. Im Jahre 1818 kamen endlich ausführliche Briefe aus Amerika, die eine Anweisung auf 10 000 Taler für die Schwestern enthielten, dazu für jeden der nächsten Verwandten einen in der Bank des Schultz geprägten Dukaten, eine Banknote von hohem Wert, unterzeichnet vom Geber. Nun endlich erfuhr man die Lebensgeschichte des ehemaligen Klahn.

 

Er schrieb, dass er damals den Schaden, den er unfreiwillig seinen Landsleuten zugefügt hätte, nicht habe ertragen können. Er sei heimlich nach Altona gegangen und habe sich dort als dänischer Marinesoldat anwerben lassen. Holstein war damals unter dänischer Hoheit und der König ließ in Altona Soldaten anwerben. Aber dieses Metier hatte ihm wenig gefallen, und er versteckte sich schon in den ersten acht Tagen in Kopenhagen  auf einem amerikanischen Schoner.

 

Da er nicht das Geld für die Reise hatte,  zwei Jahre lang als Leibeigener dienen musste. Ehe diese Zeit verflossen war, hat der Kapitän ihn als Sklave an eine Plantage verkauft. Schon in dieser Zeit hatte er die Möglichkeit gehabt gar nicht so wenig Geld zu verdienen. Nach seiner Freilassung sich im Lande umsehend, habe er bemerkt, dass die kleine Stadt Augusta am Savannah-Strom eine sehr günstige Lage hätte, um von hier aus den Transithandel zu betreiben, nur hätte es dort an Gebäuden gefehlt. Mit dem gesparten Geld habe er sich ein kleines Haus gebaut, dass er gleich mit großem Profit habe verkaufen könne. Von diesem Erfolg  ermutigt, habe er mehrere Bauten errichtet und immer mehr, so dass Augusta zu einer recht bedeutenden Handelsniederlassung geworden sei, ja, er habe 30-40 Bauleute beschäftigen können. Später sei ihm der Gedanke gekommen, eine Brücke über den Fluss zu bauen, damit die nördlichen Bewohner zum Markt kommen könnten, ohne den Fluss mühselig  „umholen“  zu müssen. Vom dem auf  diese Brücke gelegten Zoll habe er glänzende Einnahmen gehabt.

Allerdings sei ihm nun aus Neid sein Haus über dem Kopf angezündet worden. Sein nächstes Ziel sei es nun gewesen, eine Bank zu errichten, und auch das sei erreicht. „Anitzt“ (jetzt) aber habe er die Absicht, in sein Vaterland zurückzukehren, denn das Klima in Atlanta würde ihm immer nachteiliger. Um aber seine Absicht zu verwirklichen, bäte er die Verwandten dringend, ihm mit Geld und guten Worten in Kopenhagen  einen „allerhöchsten Pardon“ zu verschaffen, seiner damaligen Desertierung wegen. Sie möchten doch verständige Leute dorthin schicken, Geld spiele keine Rolle. Im Übrigen gedenke er die Hälfte seines Vermögens aus seinen Geschäften  herauszuziehen und für den Rest einen Compagnon einzusetzen. Vor allem aber erkundigte er sich gleich nach den Preisen für die großen Landgüter im Amte Cismar.

 

 

Unruhe in Dahme

 

Offenbar wollte Klahn alias Schultz in seine Heimat zurückkehren, sich eine Frau nehmen und auf einem Gut niederlassen. Dazu mussten sein Verhältnis zu den ehemaligen Gläubigern und dem dänischen Militär geklärt sein.

 

Nun gab es in der ganzen Gegend kein anderes Gespräch mehr als das über den Auswanderer Schultz. Die Hauptsache war das Rätselraten darüber, was er mitbringen würde. Gespannteste Hoffnungen auf den Goldregen aus Amerika erfasste alle Einwohner Dahmes, ja, des ganzen Landes. Allerdings machte der Loskauf von der Desertationsstrafe allerlei Mühe und Kosten, da man dort in den Marinelisten keinen Klahn finden konnte. Klahn hatte sich ja unter dem falschen Namen Heinrich Schultz einschreiben lassen. Kurz nach Erhalt der 10 000 Taler erschien plötzlich zu Aller Erstaunen der Neffe Langbehn in Dahme und zwar in „Stutzergewand mit goldenen Uhren, Ketten und reicher Börse.“ Er erklärte der Comissär seines Onkels zu sein und zeigte eine Legimitation vor, jedoch keine Geschenke oder Geld. Er erkundigte sich, was  man mit dem Gelde gemacht habe und fuhr, als er hörte, dass immer noch mecklenburgische Gläubiger unzufrieden seien, dorthin. Um sie auszuzahlen, forderte er von dem übersandten Geld, was stürmische Proteste hervorrief. Bald aber kam er zurück und berichtete, dass er mit 200 Talern die Angelegenheit habe in Ordnung bringen können.

 

Seit dieser Zeit hat man von dem ausgewanderten Klahn, alias Schultz, nie wieder ein Wort vernommen, diese Angelegenheit blieb in ein undurchdringliches Dunkel gehüllt. Eifrig wurde nach den Gründen für das Stillschweigen des reichen Verwandten gesucht. Man nahm die Geldsendung, der keine Weisung beilag, dass davon die Mecklenburger befriedigt werden sollten, als einen Versuch, die Gesinnung der Verwandten zu prüfen, der den Geber enttäuscht habe. Oder man hielt daran, dass „feindliche Insinuationen von Boshaften bei ihm gegen die Verwandten eingelegt worden seien, um ihnen sein Herz abzuwenden.“ Kurz und gut, als der Neffe den Pardon von Kopenhagen bekommen hatte, flog er wie ein Vogel davon, um nach Augusta zurückzukehren.

 

Da hatten die armen Verwandten, die sich schon so herrlichen Hoffnungen hingegeben hatten, eine schweren Stand. Der Ruf ihres Reichtums lockte jeden Gewinnsüchtigen an, „verschimmelte Rechnungen und Handschriften“ herbeizuholen, um einen Schein des Unrechts gegen sich zu entdecken, und manch einer ging gerichtlich gegen die Familie Klahn vor.

 

 

Sieben Jahre nach seiner Abreise erschien eines Tages der Neffe Langbehn wieder im Dorf und hatte vorher die Nachricht zu seinen Verwandten gelangen lassen, er käme wieder zurück und führe einen Wagen voller harter spanischer Piaster bei sich. Schon regte die Hoffnung auf erneuten Reichtum in Dahme die Flügel. Er war es wirklich und begann allsogleich, sich nach einer schönen Landstelle umzusehen und unter den Töchtern des Landes Umschau zu halten. Auch das glückte ihm, denn „wie leicht entscheidet sich nicht jegliches Schicksal für die Kiste mit den schweren Piastern.“ Er erwarb eine der Parzellen, die nach Niederlegung des Cismarschen Vorwerkes entstanden waren. Hier verbrachte er sein Leben und schwieg über das Schicksal seines Onkels. Durchgesickert war aber doch, dass er sich zwei Jahre vor seiner Rückkehr von dem Städtebauer getrennt habe, der durch zu gewagte Spekulationen zurückgekommen sei. So war denn alle Hoffnung auf weiteren Geldsegen erloschen.

 

Henry Schultz in Amerika

Um zu erfahren wie es unserm Klaus Hinrich Klahn alias Henry Shultz in Amerika erging müssen wir auf andere Quellen zurückgreifen. Zum Glück gibt es in Atlanta einen rührigen Heimatverein, der sich mit der Geschichte der Stadt Hamburg und ihres Gründers befasst und sogar eine eigene Homepage eingerichtet hat, https://henryshultz.wordpress.com/2015/02/22/shultzs-story-by-edwin-j-scott/ .

 

 

Ursprünglich kam Shultz aus Hamburg an der Elbe und landete 1806 in Augusta , ohne großes Kapital aber mit einem klugen Kopf und zugreifenden Händen. Nachdem er eine Zeit lang als Tagewerker auf einem Pfahlboot gearbeitet hatte begann er bald seine eigenen Boote zu bauen und sie auf dem Verkehr von und nach Savannah einzusetzen.

 

Die Brücke über den Fluß Savannah. Im Vordergrund Kaianlagen zur Verladung von Baumwolle.

 

Er baute auch mehrere Häuser in Atlanta und die Kai- und Lageranlagen für die Verschiffung von Baumwolle. Die Stadt war damals schon ein sehr gesuchter Stapelplatz. 15-20 000 Ballen Baumwolle wurden jährlich den Fluss Savannah hinabgeschifft. Dann errichtete Shultz nach eigenen Plänen die Augusta Brücke, die mehr als 50 Jahre hielt ohne von Hochwassern zerstört zu werden, wie viele andere Brücken, die von professionellen Architekten nach den neuesten wissenschaftlichen Prinzipien gebaut wurden. Zusammen mit seinem Partner, John McKinne, gründete er 1816 die “Bridge Bank of Augusta”, und gab Geldscheine aus, die durch ihre sofortige Einlösung eine weite Verbreitung in den Südstaaten fanden. Für viele Leute war es sogar das bevorzugte Zahlungsmittel.

Seine Bank stand auf der Augusta-Seite der Brücke, auf der nördlichen Seite der Straße, die von der Brücke zur Breiten Straße führte. Zu dieser Zeit besaß er auch mehrere Häuser in diesem Gebiet. Es entstanden jedoch Schwierigkeiten zwischen ihm und einigen der anderen Banken in Augusta. Nach langen Streitigkeiten gelang es diesen Banken mehr Schuldscheine zu präsentieren als er auf einmal einlösen konnte. In einem summarischen Prozess wurde er dann verurteilt, die ausstehenden Beträge wurden eingetrieben, die Brücke und all sein Besitz in Augusta zwangsverkauft. Er versuchte bis zuletzt dagegen anzukämpfen, weigerte sich seine Besitztümer zu verlassen bis er mit Gewalt enteignet wurde. Er suchte dann seine Zuflucht darin eine behelfsmäßige Zollstelle auf der anderen Seite der Brücke (der Süd Carolina Seite) zu errichten und Brückenabgaben von allen Passierenden zu kassieren, bis ihm das nach langem Rechtsstreit vom obersten Gerichtshof der US verboten wurde.  

 

 

Am 3. März 1821 wurde diese richterliche Verfügung durchgesetzt und Shultz physisch von der Brückenstation auf der Süd-Carolina Seite entfernt. Man muss sich das mal vorstellen. Schultz war auf dem Höhepunkt seiner Karriere, hatte mit seinen Immobilien, der Brücke über den Savannah und seiner Bank viel Geld verdient und wollte wieder nach Dahme zurückkehren. Dazu musste er aber sein Verhältnis zu den ehemaligen Gläubigern und dem dänischen Staat bereinigen, was einige Zeit in Anspruch nahm. In der Zwischenzeit trieben ihn Neider in Augusta durch Spekulationen in den Konkurs. Er verlor alles. Es kam es zu einer Verzweiflungstat. Er versuchte Selbstmord zu begehen und zwar indem er sich eine geladene Pistole in den Mund hielt und abdrückte. Der Pistolenlauf rutsche aber zufällig nach oben und zur Seite ab, so dass die Kugel zwischen seinen Augen austrat und ihn dabei fürchterlich mit dauerhaften Pulverspuren im Gesicht verstümmelte. Aber, merkwürdig  genug, erholte er sich, ohne Einbuße des Sehvermögens.                                            Grenzfluß Savannah zwischen den Staaten Georgia und                                                                                                                                                                                   Süd-Carolina.

 

 

Shultz begann auf der anderen Seite des Flusses zu bauen, mitten in einem abscheulichen Sumpf, den er ausheben und entwässern ließ, genau gegenüber von Augusta, in der Absicht dieser Stadt einen Großteil des Baumwollhandels und anderen Handels streitig zu machen. Er gründete 1821 auf der Süd-Carolina Seite des Flusses die Stadt Hamburg.

Stadt Hamburg in South Carolina 1833

 

 

 

Sein Hamburg Projekt erwies sich als ein Erfolg; die Stadt wuchs und prosperierte jahrelang, genoss einen intensiven Handel sehr zum Nachteil Augustas. Die Legislative nahm Platz und Shultz wurde Bürgermeister und ließ 1824 die Bank von Hamburg amtlich registrieren.

 

Shultz widmete sein weiteres Leben  der Stadt Hamburg, genau gegenüber von Augusta, in der Hoffnung Augusta als Handelszentrum zu ruinieren.  Er schuf eine Stadt, die Endstation der Eisenbahn nach Charleston wurde. 1823 hatte die Stadt 1000 Einwohner und ein betriebsames Geschäftsviertel und war weit mehr als eine Fassade zur Züchtigung Augustas.  Die Stadt zog Besucher an, einschließlich des Marquis de Lafayette, der die Stadt am 24. März 1825 besuchte.

Banknote der Bank von Hamburg, unterzeichnet von Shultz

 

Auch der Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar hatte in den Jahren 1825-26 eine Reise durch Nordamerika gemacht und über dieses Erlebnis eine Beschreibung herausgegeben, in der unser Klahn/Schultz erwähnt wurde. Er beschreibt die Stadt Augusta, ihre Brücke über den Savannah Fluss und einen neu erbauten Kai, der terrassenförmig angelegt war. Auf dem linken Ufer des Flusses, zu South-Carolina gehörend, habe ein spekulativer Mann, Schultz, aus dem holsteinischen gebürtig, eine neue Stadt angelegt, denn, wie man sagte, hätten die Einwohner von Augusta ihm im Stich gelassen, als er in Geldverlegenheit war, obwohl er doch unendlich viel für die Stadt getan hätte. Diese Stadt nun, aus seinen Rachegefühlen heraus  als Konkurrenz gebaut, habe er Hamburg genannt. Er schien ein kluger und unternehmender Mann zu sein, der auch einer der „vorzüglichsten Entrepreneurs“ der Brücke und der Kaianlagen von Augusta gewesen sei. Man sagte aber auch von ihm, er mache nur gute Geschäfte für andere Leute und nicht für sich selbst.

 

Der kleine Ort Hamburg, erst 1821 erbaut, besaß etwa 400 Einwohner, die in hübschen weißen Häusern mit Läden wohnten. Das schönste gehöre dem Holsteiner Schultz. Am Magazin zum Stapelplatz der Baumwolle sah der Herzog eine nett aussehende hölzerne Baracke, auf der „Bank“ zu lesen stand. „Eine Hamburger Bank in einer solchen Bude war für mich eine zu reizende Idee, als dass ich nicht meine Neugierde hätte befrieden wollen. Ich ging hinein und machte die Bekanntschaft mit Herrn Schultz. Er schien mir ein sehr tüchtiger, unternehmender Mann zu sein. Man sagte von ihm, schon mehrere Male habe er ein sehr ansehnliches Vermögen besessen, und es immer nur durch gewagte Spekulationen verloren. Jetzt schien es ihm wieder gut zu gehen. Er ist der erstgenannte, merkwürdigste Mann in Georgia.“ 

 

Ein Verhängnis mit tödlichem Ausgang, das offensichtlich mit seinem heftigen Temperament zusammen hing, durchkreuzte seine Pläne des weiteren Ausbaus Hamburgs. Ein junger Bursche vom Lande war auf seine Anweisung hin verhaftet worden weil er einen Koffer von einem Hof in der Stadt geklaut haben sollte. Um ihn zu einem Geständnis zu bringen ließ der Bürgermeister ihn auspeitschen, was zu seinem Tode führte. Schultz wurde daraufhin wegen Totschlags angeklagt und im Oktober 1827 zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt. Einige behaupteten, dass er nur mit knapper Not dem Galgen entkam.

 

 

Während seiner Zeit als Alleinherrscher in Hamburg versuchte er vergeblich auf gerichtlichem Wege Wiedergutmachung und Ahndung seiner Verluste in Augusta zu bekommen.  Er wurde als ein großer, aufrechter alter Mann, der einen schweren Waterloo Mantel trägt, der ihm bis zu den Hacken reicht, und der das Brandmal des Kain auf seiner Stirn trägt, beschrieben.

 

Klaus Hinrich Klahn  wanderte  1805 nach Amerika aus, kam 1806 nach Augusta, Georgia. Er baute eine bewundernswerte Brücke über den Savannah River und gründete die Stadt Hamburg auf der anderen Seite des Flussufers in South Carolina. Er starb am 13. Oktober 1851 in völliger Armut.

 

Aus dem amerikanischen Census von 1850 geht hervor, dass die Stadt Hamburg in South Carolina zu der Zeit einen Einwohner des Namens Henry Schultz hatte, Alter 74 Jahre, was mit seinem Geburtsdatum in Dahme übereinstimmt. Als Beruf hat er „Gründer von Hamburg“ und als Herkunftsland Deutschland angegeben. Direkt darunter findet sich der Name einer Meriah Schultz, 30 Jahre, also 1820 geboren. Anscheinend seine Tochter, wer anders könnte den Namen Shultz in dem kleinen 400 Seelen Ort Hamburg gehabt haben?

Er wollte ja wieder nach Dahme zurück, sich dort ein schönes Anwesen kaufen und heiraten, hatte schon alles verkauft und geregelt, ist aber dann wegen dem Konkursverfahren gegen die Brückengesellschaft doch geblieben, hat dann einen missglückten Selbstmordversuch gemacht, bei dem sein Gesicht mit einem Kain Mal auf der Stirn entstellt wurde  . Danach hat er wohl alle Pläne aufgegeben nach Deutschland zurückzukehren.

Wir verstehen jetzt besser warum man damals nichts mehr von ihm gehört hat.

 

Jürgen Möller 2016