Heinrich Volkmeier, * 5.11.1863, + 10.12.1963

Volkmeier auf seiner 100-Jahr Feier im "Hamburger Hof"
Volkmeier auf seiner 100-Jahr Feier im "Hamburger Hof"

 Ein Jahrhundert ist in der Geschichte ein verhältnismäßig kurzer Zeitraum. Wenn aber einem Menschen hundert Jahre zu leben beschert sind, dann ist das eine Gnade. Heinrich Volkmeier wurde diese Gnade am Dienstag, den 5. Nov. 1963, zu Teil.

Volkmeier war nicht nur der älteste Bürger des Ostseebades Dahme, sondern auch der älteste Einwohner des damaligen Kreises Oldenburg.

Heinrrich Volkmeier hat den Aufbau des Ostseebades Dahme miterlebt und mit gestaltet. Er entkam der großen Sturmflut 1872 als Neunjähriger wie durch ein Wunder, während zwei seiner Geschwister den Fluten zum Opfer fielen.

„Halte fest an Gottes Wort, das ist Dein Glück auf Erden.“ Unter diesen Leitspruch hat Heinrich Volkmeier sein Leben gestellt, und diesem Leitspruch ist er treu geblieben bis ins Gnadenalter hinein.

 

„Opa Volkmeier, wi weer dat doarmals, as de groote Flot käm?“ Er weiß es noch wie heute. Das Wasser war bis an die obere Deichkante des damaligen küstennahen Deiches gestiegen, plötzlich, in den ersten Morgenstunden, brach der Deich. Das Haus, das die Volkmeiers bewohnten, wurde von den Fluten total zerstört. Zwei Geschwister ertranken, während sich Heinrich mit den anderen Geschwistern und Kindern aus der Nachbarschaft ins das höher gelegene Hinterland retten konnte. Hinter einem hoch liegenden Knick entkamen sie der großen Flut. Auch seine Eltern hatten sich retten können. 14 Tote gab es bei dieser großen Flut damals in Dahme.

 

Volkmeiers Segelboot "Deutschland" am Steg vor seiner Strandkorbvermietung
Volkmeiers Segelboot "Deutschland" am Steg vor seiner Strandkorbvermietung

Nach Beendigung seiner Schulzeit arbeitete „Opa Volkmeier“, so nannten alle Dahmer und viele Kurgäste das betagte Geburtstagskind, das natürlich längs Urgroßvater ist, mehrere Jahre in der Landwirtschaft und ging dann Mitte der 1870-er Jahre nach Hamburg. Neun Jahre blieb er als Bäcker in der Hansestadt.

Die Sehnsucht nach dem Ostseestrand ließ ihn den Wanderstab wieder in die Hand nehmen. Volkmeier wechselte den Beruf und wurde Fischer, wie viele Familiengenerationen vor ihm. Bald hatte er auch ein eigenes Boot, und da die Fischerei damals noch gut eine Familie ernährte, nahm sich Heinrich Volkmeier eine Frau. Doris Vogt ist gebürtige Dahmerin. Vier Kinder wurden ihnen geboren. Zwei Töchter leben noch und werden heute zusammen mit sieben Enkeln und 18 Urenkeln den Ehrentag ihres Vaters feiern.

Wie kaum ein anderer ist Heinrich Volkmeier mit seinem Heimatdorf verbunden, dessen Entwicklung zum angesehenen Bad er nicht nur miterlebte, sondern auch aktiv mitgestaltete. Er legte mit Hand an, als die Uferschutzmauer errichtet wurde, um den Ort vor einer neuen Sturmflut zu bewahren; er war auch dabei als die erste Promenade geschaffen wurde und er half mit beim Bau so manchen Bürgerhauses.

Als einer der ersten Dahmer Bürger erkannte er die Möglichkeiten, Dahme dem Fremdenverkehr zu erschließen.  Ende des 19-ten Jahrhunderts gab es noch keine Strandkörbe in Dahme. Die großen Pensionen hatten Strohhütten am Strand und stellten ihren Gästen Liegestühle bereit. Volkmeier war einer der ersten, die zunächst Liegestühle vermieteten. Dann ging es weiter  mit zwei oder drei Strandkörben. Das muss so um 1902/03 gewesen sein. Offiziell war Opa Volkmeier noch bis 1963 selbstständiger Strandkorbvermieter und damit gleichzeitig der älteste Gewerbetreibende im Kreise Oldenburg.

 

 

Ehrenämter hatte Heinrich Volkmeier in seinem langen Leben nur eins: „För meer har ick keen Tied.“ Als Mitbegründer der Feuerwehr war er jahrelang Hauptmann der Wehr. Für seine Verdienste um das Brandwesen erhielt er nicht nur das Ehrenabzeichen, seine Feuerwehrkameraden machten ihn auch zum Ehrenmitglied.

 

Opa Volkmeier überlebte sie alle, die Kameraden und Freunde, mit denen er als Fischer, zuletzt mit seinem großen Segelboot „Deutschland“, zum Fischfang auf die Ostsee gefahren ist: Thomas und Christian Vogt, Julius und Franz Gammelin, Heinrich Hagelstein und Wilhelm Bohnsack. „Uns Herrgot hett mi noch nich wullt.“ meinte der alte Mann bescheiden. Und weiter: „Villicht gifft he mi noch een poar Joahr, uns Herrgott.“

Er hörte täglich die Nachrichten im Rundfunk und ließ sich von seinem Schwiegersohn, Malermeister Hermann Dücker, in dessen Haus er einen ruhigen und sorgenfreien Lebensabend verbrachte, aus den „Lübecker Nachrichten“ vorlesen.

Im Sommer, wenn die Badegäste Dahme bevölkern, war Opa Volkmeier fast täglich am Strand zu finden. Dann klönte er im Strandkorb mit Freunden und Kurgästen „vun ole Tieden.“ Er hatte immer einen Scherz bei der Hand, und wenn es um Strandkörbe geht, dann war Opa Volkmeier Fachmann. Er legte sogar selbst Hand mit an, wenn es etwas auszuflicken galt. Und: Autofahren mag er für sein Leben gern.

Wenn in der Familie ein zünftiger Skat gedroschen wurde, dann war Heinrich Volkmeier natürlich mit von der Partie. Und sein tägliches Schnäpschen verschmähte er auch nicht.

 

150 Gäste gaben sich im „Hamburger Hof“ ein Stelldichein, um Opa Volkmeier Glück und Gesundheit zu wünschen. BM Specht war zwar im Urlaub, dafür überreichte sein Stellvertreter, Markus Bruhn, die Glückwünsche und Urkunde des Ministerpräsidenten und ein Präsent des Bundespräsidenten.

Einen Monat nach seinem 100-jährigen Geburtstag starb Heinrich Volkmeyer und wurde unter großer Anteilnahme auf dem Friedhof in Grube beigesetzt.

Vorher hat er seinen Angehörigen noch erzählt er würde jetzt auf eine Reise gehen. „Aber Opa wo willst du denn noch hin?“ „Noah Grauf.“ Er hatte mit seinem Leben abgeschlossen.

Volkmeier starb im selben Jahr als das Haus des Gastes an der Strandpromenade eingeweiht wurde und die Vogelfluglinie eröffnet wurde.

Geschrieben nach einem Beitrag des LN Redakteur Karl-Heinz Colschen aus dem Jahr 1963.

 

Quelle: Ostholsteinische Zeitung (LN), Dienstag, 5. November 1963/ Nr. 258