Reiseerlebnisse des Konditors Carl Olandt, Dahme von Hamburg nach New York im Jahre 1913

Motto

Bleib nicht am Boden haften,

frisch gewagt und frisch hinaus!

Kopf und Arm mit heiteren Kräften,

überall sind sie zu Haus.

Wo wir uns der Sonne freuen,

sind wir jede Sorge los,

dass wir uns in ihr zerstreuen,

darum ist die Welt so groß!

 

Goethe

Am 3. Januar 1913 wurde ich von der Hamburg-Amerika-Linie (Hapag) als Konditor für den Riesendampfer „Amerika“ engagiert. Da die Amerika bereits in Cuxhaven zur Abfahrt bereit lag, bekam ich auf dem Heuerbüro der Hapag  die Anweisung per Bahn dorthin zu fahren. Mit Ausweispapieren versehen, begab ich mich zum Hannovermesse Bahnhof. Dort selbst hatten

 

sich noch verschiedene Nachzügler für die „Amerika“ eingefunden. Von einem Beamten der Hapag wurde uns eine Freifahrtkarte ausgehändigt, und wir dampften wohlgemut nach Cuxhaven ab.

 

 Dort angelangt, lag ein Tender bereit, um dem auf der Reede liegenden Ozeanriesen noch die letzte

 

Ausrüstung zu überliefern. Nach zehn Minuten Fahrt lehnte sich der Tender an den riesenhaften

Ozeandampfer an. Wir mussten eine Strickleiter hoch klettern, und durch eine Ladeluke betraten wir das Schiffsinnere. Nach einigem Hin und Her fand ich mich zurecht und meldete mich beim Oberkoch. Von diesem wurde ich meinen Kollegen vorgestellt, und ich musste sofort meinen Dienst aufnehmen.

 

Auf dem Promenadendeck spielte die Schiffskapelle zum Empfang der Kajütspassagiere, welche soeben mit dem Dampfer „Kehrwieder der Hapag“ von den St. Pauli -Landungsbrücken eingetroffen waren. Eine stattliche Anzahl Passagiere hatte das Schiff bestiegen, und eine Unmenge Gepäck wurde an Deck entlang geschleppt. Die Zwischendeckspassagiere dagegen waren schon in Hamburg von den Auswandererhallen der „Hapag“ am Grasbrook aus an Bord der „Amerika“ gekommen.

 

Mit dem Gedanken über die bevorstehende Reise beschäftigt, wurde ich

durch die schauerlich ertönende Dampfsirene aus meinen Träumen aufgeschreckt. Es war das Zeichen, dass alle Passagiere an Bord waren. Mittlerweile hatte der „Kehrwieder“ uns verlassen und dampfte nach Hamburg zurück. Wieder setzte die Sirene ein. Die Anker wurden gelichtet. Als das Signal zum dritten Mal ertönte, setzten die Maschinen ein, und langsam glitt unser Dampfer majestätisch vorwärts, seinem fernen Ziele entgegen. Vom Promenadendeck herunter

kamen die Klänge „Muss ich denn zum Städtelein hinaus“.

 

Uns rief jetzt die Pflicht, denn wir hatten ja für das leibliche Wohl der Passagiere zu sorgen. Für die

Verpflegung der Passagiere waren nicht weniger als 30 Köche, 4 Konditoren, 7 Bäcker und 4 Schlachter tätig, und ein Heer von ca. 200 Stewards und 3 Stewardessen war zur Bedienung der Passagiere an Bord. Die „Amerika“ hatte 4 Küchen und 3 Backräume mit 3 Backöfen und div. Bäckereimaschinen Die Besatzung bestand aus 600 Mann, fast jedes Handwerk war vertreten. Ferner war eine Druckerei an Bord, ein deutsch-amerikanisches Postamt, ein Verkaufsstand

mit frischen Blumen und eine Buchhandlung der Firma Stielke, Berlin. Außer 3 großen Speisesalons standen den Passagieren 1 Damensalon, 1 Musikzimmer, 1 Rauchsalon, 1 Kinderzimmer, 1 Turnhalle, 1 elektr. Lichtbad und 1 Schwimmbad zu Verfügung. Außer einem luxuriös eingerichteten Wintergarten war auf der „Amerika“ noch das berühmte Ritz-Carlton-Restaurant. Letzteres war von Hapag einer Gesellschaft verpachtet worden. Im „Ritz-Carlton“ Restaurant war den Passagieren Gelegenheit gegeben, a la carte zu dinieren, sowie jeden Abend von 10 – 11 Uhr wurden Creme-Soupers á einem Dollar serviert, genau wie im Carlton und Savoy in London und Paris die berühmten Theater-Soupers.

 

Ein Wiener Orchester unter der Leitung des Kapellmeisters Popper spielte während des Speisens

die besten, neuesten Konzertstücke.

Das Ritz-Carlton-Restaurant hatte eigenes Personal. Ein französischer Koch, sowie ein französischer Konditor und ein Wiener Bäcker waren für das Restaurant tätig. In der Mitte des Schiffes befindet sich ein Personenaufzug zur unentgeltlichen Benutzung durch Passagiere. Ein weiterer Aufzug diente dazu, das Fleisch aus den Kühlräumen und sonstige Lebensmittel aus den Lagerräumen in die Zentralküche zu befördern.

 

Ich komme jetzt zurück zur Reiseschilderung. Ein Blick durch die Bullaugen (Schiffsfenster) unserer Konditorei lässt in dunstiger Ferne die Küste von Helgoland verschwinden. Auf grünem Wasser kräuseln zierliche Gischtlinien, was eine schöne Reise zu werden verspricht. Doch der Nordsee, bei Seefahrtskreisen auch „Mordsee“ genannt, ist wegen ihrer tückischen Launen und der vielen Schiffsunfälle nicht zu trauen. Die Nordsee ist eine unersättliche Zerstörerin und Mörderin.

 

Und in der Tat, das Wetter ist launisch. Eine frische Brise setzte ein, gelegentlich prasselten Regenschauer hernieder. Die Dünung nahm zu. Unser Schiff behielt jedoch seinen Herrschergang

bei. Abends passierten wir Dover, und unsere Amerika steuerte in den „Kanal“ (Straße von Calais) hinein.

Sonnennebel beeinträchtigte ein wenig die Aussicht auf die anmutige Küste der Insel Wight. Durch ein Fernglas konnten wir jedoch deutlich das weiße Mauerwerk der hübschen Landhäuser und das

Königsschloss „Osborne“ erkennen.

Ohne besondere Vorfälle liefen wir am 4. Januar nach ca. 22-stündiger Fahrt in das Southampton Water ein, und auf der Reede von Southampton ging die Amerika vor Anker. Vor Southampton ragen mächtige Küstenforts, viereckige Türme, bis zum Meeresgrund reichend, aus dem Wasser hervor. Ein Tender der Hapag bringt noch eine Anzahl Passagiere aus England und noch einen angenehmen Ballast frischer Lebensmittel. Die Dunkelheit sinkt allmählich bei der Weiterfahrt. Die Küstenlinien von Wight und von Hampshire verschwimmen und werden zu matten Streifen. In einigen Stunden hatten wir Cherbourg (Frankreich) erreicht.

 

Unser Dampfer ankert auch hier auf der Reede, unsere Kajüten erhielten wieder zahlreichen Zuwachs aus Frankreich. Nachdem die Passagiere, die als Reiseziel Frankreich hatten, unser

Schiff verlassen hatten, wurde die Fahrt fortgesetzt.

 

Der Kanal liegt nun hinter uns. Landsend und die Scilly Inseln sind unseren Blicken entschwunden. Den Kiel westwärts gerichtet, sind wir in den Atlantik hinein gesteuert, voll Erwartung dem Ziel unserer Reise entgegensehend. Nach gewöhnlichen Begriffen hat jede Verbindung mit dem Festland aufgehört, und man ist im gewissen Sinne vom Verkehr mit der Außenwelt abgeschnitten. Alle, die die große Reise über den Ozean angetreten haben, sind darauf vorbereitet, diese Abgeschlossenheit als etwas Unvermeidliches hinzunehmen. Das ist in kurzen Worten die Empfindung, die bisher den

Weltenbummler beschlich.

 

Doch die Wissenschaft hat dieses Gefühl der Abgeschlossenheit weitgehend beseitigt. Der erfinderische Geist des Menschen ist auch Herr über das Meer geworden und hat ein Mittel

ersonnen, um die auf dem Weltmeer schwimmenden mit dem Kontinent in steter Verbindung zu halten. Die drahtlose Telegraphie tritt jetzt in Wirksamkeit, und das „Atlantische Tageblatt“, das täglich in deutscher und englischer Auflage an Bord gedruckt wird, macht den Passagieren der „Amerika“ mit wichtigsten politischen, künstlerischen, gesellschaftlichen und sportlichen Vorgängen der Alten und Neuen Welt bekannt. Die auf dem Sonnendeck befindliche Marconi Station steht fast immer mit den Küstenstationen in Verbindung oder auch mit anderen

Passagierschiffen. Für die richtige Beförderung der von Passagieren aufgegebenen Telegramme                                             

übernimmt die Hamburg-Amerika Linie jedoch keine Verantwortung.

 

Gestern hatte die „Amerika“ mit dem Dampfer „Blücher H.A.“ Verbindung, heute wird die

Verbindung mit „S.S. Saxony (Cunard Linie) und morgen mit „Kaiser Wilhelm der Große“ N.L. und

anderen Schiffen erwartet. Häufig begegnen uns auch Schiffe in sichtbarer Entfernung. Dann sendet der Rachen der Schornsteine einen dreimaligen Donnergruß herüber, und mit ebensolcher Heiserkeit schallt der Gruß zurück.

 

Die Dünung hat zugenommen, der Wellenschlag klopft lebhaft an die Schiffswand. Es hat den Anschein, als wolle Neptun seinen Tribut haben. Aber es scheint nur so, es wird nicht so schlimm. Nebel fällt, es beginnt auch leise, zu nieseln. Aus dem Schornstein ertönen die üblichen

Warnsignale, auch das Nebelhorn brüllt in Zwischenräumen durch die fast undurchdringliche

Nebelluft.

 

Wenn der Abend sinkt, setzt die Unterhaltung für die Gäste ein, und Konzerte wechseln mit

Lichtbildvorführungen ab. Auch wir konnten gelegentlich den Veranstaltungen aus einem

verborgenen Winkel beiwohnen. Auf dem Hinterdeck, wo die Passagiere III. Klasse, sowie die

Zwischendecker einen mächtigen Raum für sich allein haben, geht es recht lustig zu. Bunt

zusammengewürfelt, sieht man hier die verschiedensten Nationen: Polen, Slowenen,

Österreicher, Deutsche, Italiener, Franzosen und Engländer. Alle sind gleich beseelt in der Hoffnung

auf eine bessere Zukunft. Die Heimat liegt schon weit hinter ihnen, und dort drüben noch unsichtbar, nur sichtbar im Geiste grüßt ein Neuland, auf dem man

Zerbrochenes und Vernichtetes wieder aufbauen möchte. Für Kinder ist ein reizend eingerichtetes Spielzimmer an Bord.

 

1906 zugelassene Passagierzahl der Amerika

I. Klasse: 386
II. Klasse: 150
III. Klasse: 222
IV. Klasse: 1.750

 

 

Bis zum 7. Januar hatte die „Amerika“ bei guter Fahrt 1200 Seemeilen ab Cherbourg zurückgelegt. Täglich waren es 342 – 364 Seemeilen. Die „Amerika“ lief 17 Knoten, d.h. sie entwickelt in

einer Stunde 17 Seemeilen. Eine Seemeile ist gleich 1,8 km. Also legt das Schiff in 60 Minuten eine

Strecke von 30,6 Kilometern zurück. Die Entfernung zwischen Hamburg und New York beträgt 7000 Kilometer, Entfernung von Cherbourg bis Sandy Hook 3050 Seemeilen. Demnach haben wir noch eine Restdistanz bis Sandy Hook von 1850 Seemeilen.

N.B. Die Maschinen der Torpedoboote entwickeln eine Geschwindigkeit von 30,5 Seemeilen, Linienschiffe bringen es auf 20 und Panzerkreuzer auf 28 Seemeilen.

Die Amerika hatte eine Höchstgeschwindigkeit von 18 kn (33 km/h).

 

Der 8. Januar wird jedem Fahrtteilnehmer unvergesslich bleiben, denn an diesem Tage erlebten

wir einen der schwersten Stürme des „Atlantischen Ozeans“. Hiervon werde ich das „Atlantische

Tageblatt“, Ausgabe vom 9. Januar 1913, reden lassen, worin es folgendermaßen heißt:

 

An Bord der „Amerika“.

Der Sturm.

„Gestern hatte die „Amerika“ die Probe als

seetüchtiges Schiff mit Auszeichnung bestanden,

und ihre Besitzer wie Erbauer können sich rühmen,

dass das Schiff, auf dem wir gestern einen der

schwersten Stürme des Atlantischen Ozeans

miterlebten, auf dem Wasser liegt wie ein Schwan,

der mit Grazie die schaumgekrönten Wellenberge

teilt und selbst bei der schwersten See sich nur wenig

von der einen Seite zur anderen werfen lässt. Der

gestrige Tag wird sicherlich dazu beitragen, den

Ruhm, den sich die „Amerika“ seit der kurzen Zeit

ihrer Fertigstellung erworben hat, um ein

Bedeutendes zu vermehren.“

 

Schon am Sonntag ließ sich erkennen, dass schweres Wetter im Anzug war, das Barometer fiel rapide, und der Wind fing gestern morgen von 4 Uhr an sich von Westen nach Südwesten und Süden herum zu drehen, fortwährend an Stärke zunehmend. Der Himmel, um 4 Uhr noch leicht bewölkt, war um 5 Uhr mit einer grauen, regenschweren Wolkenschicht bezogen. Und es dauerte nicht lange, bis schwere Regen- und Hagelböen über das Schiff hinweg fegten.

 

Das Wetter wurde immer schlechter, ein starker Seegang kam aus südwestlicher und südlicher

Richtung. Gegen Mittag raste ein Orkan über die wild bewegte Wasserfläche dahin, dessen außerordentlich schwere See ihre Wirkung auf das Schiff nicht ganz verfehlte, die jedoch von der „Amerika“ infolge ihrer Bauart mit Leichtigkeit genommen wurde.

 

Das Barometer fiel weiter, um 4 Uhr stand es auf 752 mm, um 8 Uhr auf 740,2 mm, um 12 auf 735 mm und erreichte um 1 Uhr mit 733,5 mm seinen niedrigsten Stand, auf dem es nicht lange verweilte. So schnell wie es gefallen, begann es auch wieder zu steigen. So war es um 8 Uhr abends bereits bis auf 748,5 mm empor geklettert. Zwischen 12 und 2 Uhr erreichte der

Orkan seinen Höhepunkt, mit einer Geschwindigkeit von über 40 Metern in der Sekunde jagte die

Windbraut über die wild durcheinander gehende See dahin. Die Wellenberge, die zeitweise eine Höhe von 10 Metern erreichten, überstürzten sich förmlich.

Ein wunderbarer Anblick bot sich auf der Kommandobrücke, von wo aus man eine volle Übersicht über das schäumend brodelnde und drohende Chaos hatte. Die langsam heran rollenden Wasserberge schienen sich mit Gier auf das Schiff stürzen zu wollen. Doch die „Amerika“ durchschnitt Schaumkronen, und gleichsam in verhaltener Wut über seine Machtlosigkeit überschüttete Neptun das Vorderteil des Schiffes mit Gischt, Sprühregen und Spritzern, die wie heftiger Regen gegen das Navigationshaus und die Fenster des „Ritz Carlton-Restaurants“ schlugen und über das Bootsdeck dahin flogen.

 

Die „Amerika“ hat gestern ihre Seetüchtigkeit in glänzender Weise bewiesen, sie lag vorzüglich, und dass sich sogar während des Höhepunkts des Orkans noch Passagiere auf den Promenadendecks aufhalten konnten, ist jedenfalls ein weiterer Beweis dafür, dass sie ein Ozeandampfer „par exellence“ ist.

 

Vorstehende Schilderung ist in einigen Teilen etwas reklamemäßig für die „Amerika“ gehalten. In

Wirklichkeit war während des Orkans ein tolles Durcheinander auf dem Schiff, und ich bezweifle

sehr, dass sich während des Höhepunkts des Orkans noch Passagiere auf den Promenadendecks

aufhalten konnten.

 

Ein Matrose wurde beim Sicherheitsdienst gegen die Wandung geschleudert und erlitt eine schwere

Augenverletzung. Auch in der Küche war ein buntes Durcheinander. Bratensoßen und Töpfe flogen von den Herden, und die verlorenen Eier trudelten auf dem Küchenboden herum. Da die Stewards gerade beim Abräumen der Frühstückstische waren, gingen hunderte von Tellern etc. in Scherben. Jeder war nur bemüht, sich irgendwo festzuklammern.

 

Glücklicherweise war der Orkan ja nur von verhältnismäßig kurzer Dauer. Wegen des Orkans

hatte die „Amerika“ nur 250 Seemeilen zurückgelegt.

 

In der Nacht vom 8. auf den 9. Januar hatte die Marconistation Verbindung mit beiden Kontinenten

zugleich, so dass die „Amerika“ während dieser Zeit mitten im Ozean erfuhr, was in der Alten und in der Neuen Welt vor sich ging.

 

Eine Woche lang sieht unser Auge nichts als Wasser und Himmel, und das Endziel unserer Fahrt rückt immer näher. Ein für die jetzige Jahreszeit ziemlich ungewöhnlicher Anblick bot sich uns am 10. Januar gegen 9 Uhr abends, an Steuerbordseite wurde nämlich ein Eisberg gesichtet. Die aus dem Wasser ziemlich hoch herausragende Eismasse zog wie ein Gespenst langsam an uns vorüber und machte zeitweise den Eindruck eines hell erleuchteten Schiffes.

 

Es ist auf Schiffen der Hamburg-Amerika-Linie Brauch, gegen Ende der Reise den Passagieren gewissermaßen ein Abschiedsmahl zu geben, das unter dem Namen „Galadiner“ oder „Kapitänsdiner“ bekannt ist. Dieses Diner fand am 12. Januar statt.

Das Schönste, was Küche und Keller bieten können, wird an diesem Tage aufgetischt. Während dem Diner findet die allen Ozeanreisenden bekannte „Steward-Parade“ statt. Sämtliche Salon-Stewards sind maskiert und mit Lampions versehen tragen, sie unter den Klängen der Schiffskapelle den Nachtisch, welcher an diesem Abend aus illuminiertem Eis besteht, auf. Wie Gespenster heben sich die verschiedenen Gestalten im matten Scheine der Lampions in dem fast dunklen Salon ab. Nach dem Diner fand als Abschluss des Abends ein Wohltätigkeitskonzert zum Besten der

 

Witwen und Waisen deutscher und amerikanischer Seeleute statt.

Am 13. Januar schallte der Ruf: „Land in Sicht“ durchs Schiff, und wir passierten „Sandy Hook“, die äußerste Spitze von Nordamerika. Durch die Einfahrtstraße „The Narrows“ gelangten wir in die

 

New York - Bai hinein. Die Maschinen arbeiteten jetzt mit halber Kraft, und langsam, majestätisch glitt die „Amerika“ durch den gewaltigen Hafen von New York. Da es meine Zeit erlaubte, stand ich an der Reling, damit mir das ewig wechselnde Schauspiel nicht entging. Es herrscht im New Yorker Hafen ein riesiger Schiffsverkehr. Seedampfer mit langen Rauchfahnen fahren ein und aus. Flussdampfer, Ferrys und Barkassen beleben die vielen Wasserstraßen des Hafens.

 

An der mitten im Hafen auf der Insel „Bedloes Island“ stehenden Freiheitsstatue „Liberty“ vorbei

steuert die „Amerika“ in den Hudson hinein und gleitet langsam flussaufwärts. Hafenpolizei und

Reporter der amerikanischen Zeitungen kommen an Bord. Strandbatterien liegen viereckig, klobig

zwischen bewachsenen Glacis der Flussmündung der Hudson.

 

Docks und gewaltige Pieranlagen reihen sich an den beiden Ufern des Hudson. Rechts vorn ragt die

Gruppe der Wolkenkratzer von Manhattan gen Himmel, zackig und ungeheuer. Die „Amerika“ wurde vertäut am Pier der Hamburg-Amerika-Linie in Hoboken.

 

10 Tage Ruhe!!

 

Bevor die Passagiere die Vereinigten Staaten betreten dürfen, kam der Polizeiarzt, der

Einwanderungskommissar, der Passinspektor sowie ein Heer von Zollbeamten an Bord. Und innerhalb einer halben Stunde waren ca. 200 Koffer gesichtet und die Pässe geprüft. Die Zollbeamten wurden nach altem Brauch an Bord verpflegt. Die Zwischendeckspassagiere kamen nach der Quarantäne-Station auf der Insel „Ellis Island“ und konnten von dort nach Erledigung der

Einwanderungsformalitäten das gelobte Land betreten.

 

 

Die Kajütspassagiere dagegen konnten ungehindert die „Neue Welt“ betreten. Wir Schiffsangestellte mussten uns erst einer ärztlichen Untersuchung unterziehen, und mit einem Urlaubsschein versehen, betrat auch ich die neue Welt. Wir Konditoren waren während der Hafenzeit dienstfrei, und ich hatte Gelegenheit, New York in zehn Tagen kennen zu lernen.

 

N E W  Y O R K ! !

 

 

New York ist überwältigend. Ich hätte nicht geglaubt, dass irgendein Eindruck mich noch aus der Fassung bringen würde. Vor dem Anprall dieser Stadt gerät jeder ins Wanken.

Wenn man Amerika in New York betritt, so ist man benommen von dem ungeheuren Verkehr, der einem umgibt. Die Wirklichkeit übertrifft alle Fantasien.

Autos, Autos und nochmal Autos. Man begreift kaum, wie diese Unmenge von Fahrzeugen gelenkt werden können. Zum Wochenende vermögen die Fähren über den Hudson allein des beispiellosen Verkehrs nicht Herr zu werden. Man baute deshalb Tunnels für Fußgänger und Wagen, für Eisenbahn und Autos. Den Riesentunnel von New York und New Jersey passieren fast täglich ca. 50.000 Autos in beiden Richtungen.

 

Ohne Übertreibung kann man New York als die Stadt der „Tausend Wunder“ bezeichnen, denn

so ein eigenartiges Stadtgebilde gibt es nur einmal auf der Welt.

 

Wie so vieles in New York das Maß des Gewöhnlichen übersteigt, so auch sein Hafen. Er ist

wirklich von gigantischer Größe. Hunderte geschäftiger Schiffe, große und kleine, eilen hin und

her. Besonders die kleinen grauen Polizeiboote haben es eilig auf der Jagd nach eingeschmuggeltem

Alkohol. Riesige Fährdampfer (Jerrys), welche ganze Eisenbahnzüge auf dem Rücken tragen, jagen unter Volldampf herum. Die mächtigen Hafenanlagen mit riesigen Lagerhallen zeugen von gewaltigem Warenumschlag.

In unvergleichlicher, malerischer Schönheit ragen die bizarren Wolkenkratzer Manhattans aus dem sie umgebenden, wuchtig gegliederten Häusergewirr in die Luft. Ein Panorama von überwältigender Größe und fesselndem Reiz, das in jeder Tagesbeleuchtung neue, fabelhafte Konturen zeigt, und in der Dunkelheit mit den strahlenden Reflexen von millionenfachem Licht wie ein Wunder erscheint. Von so unerhörter Eigenart ist dieses Bild, dass man sich zunächst nicht an ihm satt zu sehen vermag.

 

Nach Manhattan ist Brooklyn der wichtigste Stadtteil. Er ist Manhattan gegenüber gelegen und mit

ihm durch weltberühmte Brücken – Hängebrücken - über den East River sowie durch Tunnels und

Fährboote verbunden. Die drei größten Brücken sind:

 

1. Die Brooklynbridge, diese führt über den East River von City Hall (Manhattan) nach der Sand

Street Brooklyn. Dieselbe ist eröffnet worden am 4. Mai 1883 (5.989 ft lang, 85 ft breit,

135 ft hoch). Besitzt 2 Gleise für Eisenbahn, 2 Gleise für elektr. Bahn und 2 Fahrstraßen für

Fuhrwerke. In der Mitte führt eine Promenade für Fußgänger. Die Brücke hat s. Z. 11 Millionen Dollar gekostet.

 

2. Die Manhattan Brücke über den East River von Brooklyn. Sie ist 6.854 ft Lang, 120 ft breit.

Sie hat s. Z. 12 Millionen Dollar gekostet.

 

3. Die William Brücke über den East River nach Brooklyn. Sie ist am 19. Dezember 1903

eröffnet worden. Länge 7.200 ft, Breite 1.600 ft, Höhe 118 ft. Sie besitzt 2 Promenaden, 2

Eisenbahngleise, 2 Gleise für elektr. Bahn und 2 Fahrstraßen für Uhrwerke.

 

Brooklyn beherbergt etwa 2 ¼ Millionen Menschen. Es ist vornehmlich Wohndistrikt.

 

Die ganze Stadt New York ist unter und über der Erde gleich eingeteilt, in zum Teil mit Namen benannte Umgehungsstraßen (Avenues) und in nummerierte Querstraßen (Streets). Diese Straßeneinteilung New York ermöglicht es jedermann, sich dort in ganz kurzer Zeit zurechtzufinden. Es gibt in Manhattan nur 12 Umgehungsstraßen (Avenues), ca. 290 Querstraßen

(Streets), die nur fortlaufende Nummern tragen. Die Stadt macht wenigstens in der Mitte (City) einen äußerst sauberen Eindruck. Sobald man sich aber von der City entfernt und sich in die Seitenstraßen verirrt, wird es unglaublich schmutzig. An den ziemlich verkehrsreichen Gehsteigen liegen Papierabfälle oft einen halben Meter hoch. In dem italienischen und chinesischen Viertel wird mit den Straßenabfällen kurzer Prozess gemacht. Man scharrt, wenn der Unrat allzu viel wird, diesen zu einem Haufen zusammen und zündet ihn auf offener Straße an.

 

Interessant ist auch die Einteilung der einzelnen Rassenviertel. Ohne, dass irgendeine Verordnung oder ein Gesetz es bestimmte, haben sich die einzelnen Rassen und Nationen, Neger, Chinesen, Indianer, Italiener, Deutsche, Inder usw. in bestimmten Stadtteile zusammengefunden, um dort zu wohnen.

Ebenso haben sich die einzelnen Branchen und Gewerbebetriebe vielfach in einzelnen Straßen

zusammengefunden. Zum Beispiel findet man ganze Straßenblocks, wo nur Automobilgeschäfte sind, andere, wo nur Herrenkleidermacher wohnen usw.. Es gibt in New York etwa 8 – 900tausend

Deutschamerikaner. Diese wohnen hauptsächlich in den 82. bis 86. Straßen und in Brooklyn. Die Stadt New York hat z. B. mehr deutsche Einwohner als Hamburg und mehr Italiener als Mailand. Die Judenstadt, genannt „Ghetto“, ist auf 50 enge Straßen verteilt, getrennt auf der einen Seite von dem Glanz des Broadways , und auf der anderen Seite trennt der Hudson dieses Ghetto von der Umwelt. In diesen Elendsquartieren leben fast 2 Millionen Juden, etwa ein Viertel der Bevölkerungszahl New Yorks. Sie führen einen verzweifelten Existenzkampf um ihr armseliges

Dasein. Das Judenviertel Ghetto charakterisiert sich auch besonders durch dessen Geschäftswelt. Die vorhandenen Läden sind nahezu leer. Dagegen ist die Ware zu großen Bergen am Gehsteig vor dem Laden aufgestapelt, so dass man mitunter gezwungen ist, den Gehsteig zu verlassen. Selbst Glasschränke mit Juwelen und sonstigem Geschmeide sind am Gehsteig aufgestellt. Diese eigenartigen Geschäftsleute sitzen dabei 12 – 16 Stunden ununterbrochen inmitten ihrer

 

Habseligkeiten und warten geduldig auf Käufer.

 

Das Woolworth Building wurde 1913 fertig gestellt  und ist 60 Stockwerke hoch. Mit 213 m war es damals das höchste Gebäude der Welt.

Das Herz des weltbeherrschenden Finanzviertels ist Wall-Street, wohl die berühmteste Straße auf dem Erdenrund Sie ist wie alle Straßen in dem Viertel ringsherum ziemlich schmal und enttäuscht deshalb die meisten Besucher. Aber eine eigenartige Stimmung, die von seinen riesigen Wolkenkratzern ausgeht, schlägt sie unweigerlich in ihren Bann. Hier liegen die größten Weltbanken der Finanzfürsten, unter anderem auch von I.P. Morgan & Co. und die New Yorker Börse. Da die Zulassung zur Börse beschränkt ist, werden oft für freigewordene Sitze eine halbe Million Dollar gezahlt. Erwähnt sei noch die Park-Avenue als Wohnstraße der Dollarmillionäre.

Nahe dem Broadway, der Hauptverkehrsader mit 25 km Länge, reckt sich das mächtigste Gebäude der Welt, das Woolworth-Building, 56 Stockwerke hoch in die Luft. 34 Lokal- und Express Personalaufzüge befördern die Menschen in die Höhe. Der Balkon des Turmes bietet eine märchenhafte Aussicht über ganz New York. Die Menschen auf den Straßen erscheinen winzig klein. In dem Gebäude sind 15.000 Menschen beschäftigt. Die beliebteste Geschäftsstraße der

eleganten Welt ist die 5 th Avenue. In der langen Flucht folgen hier Schaufenster von Modehäusern,

 

Kunsthandlungen und Juwelieren, Fruchthandlungen, deren Auslagen aus dem Garten Eden entnommen zu sein scheinen, Konditoreien, Gemischtwarengeschäft, Teestuben und feine Restaurants in buntem Wechsel.

 

Der Amerikaner nimmt nach jedem Essen grundsätzlich Kaffee. Auf diesen Umstand dürfte es

zurückzuführen sein, dass das Kaffeehausgewerbe, so wie wir es in Europa, insbesondere in Deutschland, kennen, drüben sehr verkümmert ist. Mit Ausnahme der großen Teeräume in den Kinos und den großen Automaten sind größere Konzert-Cafés nicht vorhanden.

 

Man staunt über die mächtige Aufmachung der Kinos. Dieselben gehen weit über die Begriffe unserer alten Welt hinaus. Der Eintrittspreis betrug zwischen einem halben und zwei Dollar. In demselben sind auch Tee und Brötchen einbegriffen. Es gibt Tonfilme zu hören und zu sehen, die aber den uns bisher in Deutschland gezeigten Tonfilmen in Bezug auf technische Genauigkeit weit überlegen sind.

 

Die Geschäfte des Konditoren- und Bäckergewerbes sind zu 90 % in Händen von Deutschen, aber nicht so auf der Höhe wie in Deutschland. Wenn New York gerade wegen seiner, alle Nationen umfassenden Völkermischung auch nicht typisch amerikanisch ist, so bedeutet es für jeden, der offene Augen hat, ein großes Erlebnis, in der Metropole Amerika Umschau zu halten. Es sind in

New York etwa 9000 Bäckereien und Konditoreien. Hiervon sind ca. 3000 in den verschiedenen

Korporationen organisiert. Ein Lehrlingsausbildung nach unseren Begriffen existiert drüben nicht. Die Ausbildung ist jedem selbst überlassen. Es gibt dort keine Fachschulen, sondern nur Privatkurse. Der Durchschnittslohn eines ungelernten Arbeiters ist 30 – 35 Dollar, Facharbeiter 35 – 60 Dollar je Woche.

 

New York hat keine gesetzliche Ladenverkaufszeit und Arbeitszeit. Lediglich von Sonnabend nachts 12 Uhr bis Sonntag mittags 12 Uhr ruht jeglicher Betrieb und Verkauf, mit Ausnahme der Hotels und Gaststätten. Die Konkurrenten einigen sich untereinander über die Verkaufszeit. Einige Geschäfte sind die ganze Nacht offen. Die Arbeitszeit beträgt durchschnittlich 8 Stunden. Fast alle großen Betriebe arbeiten in drei Schichten, also ohne Unterbrechung.

 

Arbeitnehmer, die möglichst viel Dollar verdienen wollen, arbeiten in der Regel zwei Engagements.

Tagsüber sind sie in der Fabrik oder im Geschäft, des Nachts sind sie Kassierer oder Aufsichtsperson in den Kinos oder Trinkstores. Die Stellen werden durch Agenten vermittelt, die je nach Qualität die betreffende Stelle einem gegen einen Wochenlohn oder mehr als Vermittlungsgebühr nachweisen. Es wird vor diesen Vermittlungsbüros gewarnt, weil auch

schon Fälle bekannt wurden, dass der Vermittler mit dem Arbeitgeber unter einer Decke steckt. Der

Arbeitgeber stellt zunächst den Arbeitssuchenden ein, wodurch der Wochenlohn nicht dem Arbeiter sondern dem Vermittler gezahlt wird. Nach 8 Tagen entlässt er den Neuling wieder aus irgendwelchen Gründen. In solchen Fällen ist der Arbeitgeber gleichzeitig Inhaber des Vermittlungsbüros, welcher unter dem Namen eines Strohmannes firmiert.

 

In fast allen Konditoreien werden Soda-Getränke verabfolgt. Ebenfalls die Gemischtwarengeschäft

führen in der Regel Limonaden-Drinks in großer Auswahl. Die Aufmachung dieser Geschäfte ist sehr luxuriös Die Ladentheken haben nicht selten eine Länge von 15 – 20 Metern. Die Läden sind durchweg sehr schmal und tief.

 

An Eis ist nur Rahmeis zu haben und zwar in allen möglichen Aufmachungen. Auch in jedem Lebensmittelladen ist Rahmeis erhältlich. Trinkstores, Ausschank- stellen für Sojagetränke

wachsen wie Pilze aus der Erde und beherrschen das Gesamtbild New Yorks.

 

Die Wasserleitung in New York spendet nur Wasser auf Hebeldruck. Vielleicht eine Sparsamkeit In den Toilettenräumen der Hotels und sonstigen öffentlichen Unternehmungen gibt es überall reichlich Waschgelegenheit, aber kein Handtuch. Man benötigt keines, weil man sich an einem daneben befindlichen Apparat durch einen Hebeldruck mit Heißluft trocknen kann. Die Erzeugung der Heißluft, die auf diese Weise viel verschwendet wird, ist zweifellos teurer als ein Handtuch. Hier stellt man aber die hygienischen Gesichtspunkte in den Vordergrund.

 

Auch gut funktionierende Schuhputzmaschinen sieht man überall.

 

Interessant ist der Betrieb in der Untergrundbahn. Man sieht fast keinen Beamten. Beim Eingang befindet sich ein Opferstock, in welchen man ein 5-Centstück einwerft, damit öffnet sich einmal das Drehkreuz, und man kann für diesen Betrag fahren, solange und wohin man will. Der scheinbar führerlose Zug hält an, die Türen öffnen sich automatisch für einige Minuten und schließen

sich wieder automatisch, worauf der Zug weiterfährt. Aber schon nach wenigen Minuten kommt wieder ein anderer. Man braucht also keine Fahrkarte.

 

Die Straßenbahn hat keine Überleitung, die Stromversorgung erfolgt durch einen besonderen

Schienenstrang, der sich in der Mitte der beiden Schienen befindet. Die Hochbahn bewältigt neben der Untergrundbahn in der Hauptsache den Verkehr. Sie fährt ungemein rasch und schwankt sehr. In ganz New York sieht man mit Ausnahme der Polizisten keine Radfahrer, fast keine Raupenfahrwerke und keine Motorradfahrer, da der Autoverkehr dieses unmöglich macht. Es gibt in New York 3 ½ Millionen Autos. Bei der Einmündung von einer Querstraße in die großen Avenues nimmt der Verkehr ganz ungeheure und mächtige Formen an. Hunderte von Autos sind abgestoppt und stehen dicht nebeneinander. Plötzlich setzt sich die Masse in Bewegung, um nach wenigen 50 m bei der nächsten Querstraße durch ein einfaches, automatisches Lichtsignal wieder abgestoppt zu werden.

 

Der Verkehr wickelt sich fast lautlos ab. Nur die Zeitungsverkäufer beleben das Ganze. Der Amerikaner liest nämlich die Tageszeitungen auf der Straße, in der Bahn usw.. In neuester Zeit sieht man an vielen Straßenecken mächtige Stöße von Zeitungen ohne Aufsicht. Man nimmt sich eine solche Zeitung und legt in eine daneben befindliche Schale seinen Cent und geht weiter (Honecker-System). Auch die Kontrolle in den Restaurants ist auf die Ehrlichkeit der Menschen eingestellt. Man isst und trinkt, ohne den Kellner zu bezahlen. Dieser gibt lediglich seinen Scheck, den man an der Kasse einlöst. Der Amerikaner ist Gentleman, er drückt sich nicht um die Zeche. Auch der Verbrecher dreht scheinbar nur große Dinge.

 

Speichelleckerei wird als Betrug bestraft. In den Friseurgeschäften wird im Liegen rasiert. Der

Friseurgehilfe ist im Geschäft seines Arbeitgebers selbständig und bezieht keinen festen Lohn, sondern pachtet sich einen Rasierstuhl. In New York gibt es 23 000 Schutzleute. Jeder, der mit Lebensmitteln handelt oder sich gewerbsmäßig damit befasst, muss einen Gesundheitsschein besitzen. Wird er ohne diesen angetroffen, so kommt er zur Krankeninsel im Hudsonfluß.

 

Das Staatsgefängnis (Sing-Sing) liegt auf einer Insel inmitten des East Riviera und ist nur unter scharfer Kontrolle mittels eines Aufzuges von der Manhattan-Brücke aus zugänglich.

 

Am Batterie-Park liegt das weltberühmte Aquarium, welches in der ganzen Welt seinesgleichen sucht. Dasselbe enthält eine Schau von den seltensten Fischen, Seetieren und Seepflanzen aus allen

Weltmeeren.

 

Die Brennpunkte des Hastens und Treibens liegen im Zentrum von Manhattan, etwa an der 42. Straße, wo in den beiden Untergrundbahnstationen täglich fast eine halbe Million Menschen die Züge benutzen. Beim Besuch der großen Einheitstores (Einheitspreisgeschäfte – 5 und 10 Cent-Artikel) fällt es auf, dass in diesen Riesengeschäften verhältnismäßig wenig Verkaufspersonal vorhanden ist. Die Waren sind so übersichtlich geordnet, dass sich der Kunde in der Hauptsache selbst bedient. Er nimmt eines der überall bereitliegenden Körbchen, legt seine Ware hinein und bezahlt an der nächsten Kasse. Nur für dringende Auskünfte holt man sich jemanden vom Aufsichtspersonal.

 

In dem unermesslichen Häusergewirr New Yorks ist nur noch eine große grüne Fläche frei geblieben, die der Zentralpark bedeckt. Derselbe erstreckt sich von der West 59-th Street bis zur  West 110-th Street  (Central Park North).

In demselben befindet sich auch der Zoologische Garten. Der Zentralpark ist im Jahre 1857 angelegt worden, ist 4 km lang und 800 m breit, liegt mitten in der Stadt, hat den einzigen Teich in ganz New York.

 

Die amerikanischen Frauen und Ladys beherrschen infolge ihrer eleganten Kleidung, ihres sicheren

Auftretens das Stadtbild. Das Gesetz schützt sie gegen die Männerwelt in ganz bevorzugter Weise.

 

Vom Batterie-Park aus fährt man per Dampfer nach dem Nationaldenkmal „L i b e r t y“ auf Bedloes - Island. Das Denkmal ist ein Geschenk Frankreichs an Amerika. Die Freiheitsstatue ist mit Sockel 306 Fuß (92 m) hoch. Die Figur ist 151 Fuß (46 m) hoch und hält eine Fackel in der Hand. Die Bronzestatue ist eine weibliche Figur mit Strahlenkrone und einer in der Dunkelheit leuchtenden Fackel in der erhobenen rechten Hand. Im Innern der Figur führen Treppen bis

zum Kopf hinauf. Von dort aus hat man eine herrliche Aussicht auf die Wolkenkratzer, den Hafen und die Umgebung.

 Carl Olandt 1913

Anmerkung: Interessant sind auch die vorhandenen Zeitungsartikel aus dem Jahre 1906.

 

(Sie sind Anlagen des Originalberichtes „Meine Reise-Erlebnisse von Hamburg nach New York“)